Artikel

Vom Papier zum Silicium: Betriebliches Gesundheitsmanagement in einer digitalisierten Welt

Durch den Fortschritt digitaler Technologien verändert sich die Arbeitswelt in rasantem Tempo. Inwiefern wirken sich diese Veränderungen auf die psychische Gesundheit des Personals aus? Welche Herausforderungen und Chancen stellen sie für das betriebliche Gesundheitsmanagement dar? In diesem Blog ziehen wir Bilanz im Hinblick auf die Situation in der Schweiz und schlagen einige konkrete Wege für eine gesundheitsgerechte Digitalisierung vor.

Dr. Rafaël Weissbrodt,
Hochschule für Gesundheit Wallis

Stéphanie Hannart,
Hochschule für Gesundheit Wallis

Die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) führt zu einer zunehmenden Entmaterialisierung von Arbeitsprozessen und zu einer Flexibilisierung von Organisationsstrukturen. Die Arbeit im Homeoffice und die Tatsache, dass sich die Menschen aufgrund der Coronavirus-Pandemie nicht mehr treffen können, haben diese Entwicklung noch verstärkt und beschleunigt. 2018 gaben mehr als die Hälfte der Schweizer Arbeitgeber an, sich in einem digitalen Transformationsprozess zu befinden oder diesen bereits weit vorangetrieben zu haben. Seit dem Frühling 2020 sind viele Unternehmen durch die Arbeit im Homeoffice gezwungen, ihre Arbeitsmethoden neu zu gestalten und die Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden auszubauen.  

 

Dabei können die Auswirkungen auf die Gesundheit je nach Umsetzung der Digitalisierung mehr oder weniger positiv ausfallen. In Zusammenarbeit mit Gesundheitsförderung Schweiz und ihren Partnern haben wir dazu drei Schwerpunktthemen ausgemacht: mentale Belastung, Grenzen zwischen Beruf und Privatleben sowie zwischenmenschliche Beziehungen in Arbeitsteams.   

Mentale Belastung und Reizüberflutung

Da sie den Zugang zu Informationen erleichtern, sind IKT wertvolle Ressourcen, um die eigene Arbeit zu erledigen, sich mit Arbeitskollegen auszutauschen und neue Kompetenzen zu erwerben. Werden die Technologien jedoch zu stark genutzt, werden sie zu einem Faktor der Arbeitsüberlastung und Reizüberflutung. Die Folgen sind Stress, Erschöpfung und permanente kognitive Aktivierung. In manchen Fällen kann die Angst, eine wichtige Information zu versäumen, sogar zu einer zwang- und krankhaften Beziehung zu den Kommunikationstools führen. 

Verschwimmen der Grenzen zwischen Beruf und Privatleben

Die Flexibilität des Homeoffice ermöglicht es den Betroffenen zwar, ihre persönliche Organisation an ihre beruflichen, persönlichen und familiären Gegebenheiten anzupassen. Aber durch die Möglichkeit, immer und überall arbeiten zu können, verschwimmt die Trennung zwischen privater und beruflicher Ebene. Die Vermischung der Ebenen hat Auswirkungen auf die Erholung, aber auch auf das soziale und familiäre Leben.  

Teamintegration in einer flexiblen Organisation

Mithilfe digitaler Technologien können Unternehmen virtuelle Organisationen (z.B. Projektteams) aufbauen und Arbeitskollegen mit unterschiedlichen Kompetenzen trotz entfernter Standorte zusammenbringen. Doch der fehlende physische Kontakt, die nicht vorhandene soziale Dimension und die Hindernisse bei der nonverbalen Kommunikation können die Zusammengehörigkeit eines Teams schwächen und die Isolationserfahrung verstärken.  

 

Daran wird deutlich, dass die Digitalisierung Ressourcen für die Entwicklung des Einzelnen bietet, aber auch Risiken birgt. Dabei kommt es weniger auf die Tools selbst, sondern vor allem auf die Rahmenbedingungen ihrer Entwicklung, Umsetzung und Anwendung an. Es gibt in dieser Hinsicht keinen technologischen Determinismus.  

 

In diesem Zusammenhang tun sich neue Aufgabenfelder für das betriebliche Gesundheitsmanagement auf. Vor diesem Hintergrund geben wir vier Empfehlungen ab, und zwar:  

  • die Gesundheitsdimension im Rahmen von Digitalisierungsprojekten einzubeziehen, indem man die Nutzerinnen und Nutzer einbindet und ihre Bedürfnisse von Anfang an berücksichtigt
  • die technischen, sozialen und adaptiven Kompetenzen der Mitarbeitenden auszubauen
  • die Kompetenzen von Vorgesetzten bezüglich Kommunikation und Fernbetreuung auszubauen
  • Strategien und Praktiken zum Abschalten umzusetzen, um Ruhezeiten und Erholung zu gewährleisten 

Abschliessend lässt sich sagen, dass die digitale Transformation die Arbeitsleistung erhöht und neue Möglichkeiten für die Mitarbeiterentwicklung bietet. Sie muss jedoch gut durchdacht und koordiniert ablaufen, um sowohl den Bedürfnissen des Unternehmens als auch den Erwartungen der Mitarbeitenden hinsichtlich Gesundheit, Zufriedenheit sowie Sinn und Zweck der Arbeit gerecht zu werden. Wir hoffen, dass Sie im Rahmen dieses Blogs ein paar nützliche Ideen für Ihre Digitalisierungsprojekte sammeln konnten!