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Die Arbeitswelt verändert sich - wohin soll sich das BGM entwickeln?

Auch in einer völlig veränderten Arbeitswelt braucht es ein wirksames Gesundheitsmanagement. Gesundheitsförderung Schweiz lanciert dank dem Einbezug von Expertinnen und Experten fünf Vertiefungsprojekte rund um das Thema psychische Gesundheit am Arbeitsplatz und adressiert wichtige Fragen z.B. zum Umgang mit neuen Führungsprozessen, zur sozialen Gesundheit oder zur Kompetenzentwicklung für neue Arbeitswelten.

Luca Weber
Smiling

Dominik Fässler
Gesundheitsförderung Schweiz

New Work und BGM

Die Arbeitswelt verändert sich rasant. Digitalisierung, Globalisierung, Beschleunigung und Verdichtung zwingen die meisten Unternehmen und Organisationen aller Branchen dazu, sich laufend anzupassen. Altbewährte Strukturen und Prozesse sind nicht mehr dazu geeignet, mit den neuen Bedingungen umzugehen. Die Corona-Pandemie hat diese Veränderungen noch einmal beschleunigt. Immer mehr Unternehmen und Organisationen setzen auf neue Arbeitsformen. Agiles Arbeiten, Home-Office, flache Hierarchien, Plattformökonomien, Big Data und künstliche Intelligenz setzen sich immer mehr durch.

Diese Veränderungen betreffen direkt auch das betriebliche Gesundheitsmanagement. Waren beispielsweise bis vor kurzem die Führungspersonen klar der zentrale Hebel für das BGM, müssen in agilen, erfolgreichen Organisationen oft neue Ansprechpartner gefunden werden. Diese Unternehmen handeln oft erfolgreich, aber wie können wir die Förderung der Gesundheit am Arbeitsplatz sicherstellen?

Diese und weitere Fragen nimmt Gesundheitsförderung Schweiz zum Anlass, um früh die aktuellen und künftigen Veränderungen der Arbeitswelt und deren Auswirkungen auf das BGM zu eruieren und zu antizipieren, sowie das BGM rechtzeitig gezielt weiterzuentwickeln, insbesondere auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit.

 

Handlungsfelder für das zukünftige BGM

Anhand von Reviews wissenschaftlicher Erkenntnisse hat Gesundheitsförderung Schweiz in einem ersten Schritt vier relevante Treiber der Arbeitswelt definiert, die einen besonderen Einfluss auf die psychische Gesundheit von Erwerbstätigen haben:  die Digitalisierung, neue agile Arbeitsformen, Gig Economy und die Nutzung von gesundheitsbezogenen Daten im BGM.

Gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus über 35 Organisationen aus Wissenschaft und Praxis wurden im Rahmen von online Workshops die Veränderungen in diesen Bereichen sowie Chancen und Herausforderungen fürs BGM reflektiert. Als Resultat aus den Workshops liegen nun insgesamt 20 breit abgestützte Handlungsfelder für das BGM der Zukunft vor.

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Handlungsfelder für das BGM der Zukunft mit Fokus psychische Gesundheit
Handlungsfelder für das BGM der Zukunft mit Fokus psychische Gesundheit

Vertiefungsprojekte zur Weiterentwicklung des BGM

Vertiefungsprojekt 1: Führung und Entscheidungsprozesse

Rollen und Aufgaben von Führungspersonen verändern sich. Immer öfter arbeiten Mitarbeitende dezentral, der Austausch findet in Online-Meetings statt, rasche Entscheidungen sind gefragt, neue Technologien müssen eingeführt werden und die Bindung an das Unternehmen wird schwieriger. Es gilt, neue Führungskompetenzen zu fördern, Führungsstile anzupassen und Entscheidungsprozesse neu zu denken. Daneben zeigen die Entwicklungen, dass viele Unternehmen nicht mehr anhand klassischer Führungsrollen organisiert sind. Hier stellt sich die Frage, welche Hebel das BGM nutzen kann und welche Rollen dafür geschaffen werden müssen.

 

Vertiefungsprojekt 2: Social Health

Für die Pflege sozialer Beziehungen - eine Grundvoraussetzung für die psychische Gesundheit - brauchen wir in den durch die Digitalisierung, Individualisierung und Flexibilisierung geprägten Arbeitswelten neue Ansätze und Konzepte. Es stellt sich die Frage, wie Teamintegration gelingt, wie gesunde soziale Beziehungen erhalten, Isolation und Einsamkeit vermieden, Wertschätzung ausgedrückt und informelle Austausche gefördert werden können.

 

Vertiefungsprojekt 3: Kompetenzentwicklung für neue Arbeitswelten

Die neuen Arbeitswelten verlangen von jeder und jedem Einzelnen Kompetenzen im Umgang mit neuen Herausforderungen wie z.B. der Flexibilisierung, dem stetigen Wandel, der Möglichkeiten zur Selbstgestaltung und Autonomie, der Übertragung von Verantwortungen, der ständigen Erreichbarkeit und dem Verlangen nach lebenslangem Lernen. Es gilt zu definieren, welche individuellen und sozialen Kompetenzen gefragt sind und wie diese vermittelt und angeeignet werden können.

 

Vertiefungsprojekt 4: Gestaltung von Arbeitsprozessen und Work-Worker-Fit

Bei der Einführung neuer Arbeitsweisen, Technologien oder der Automatisierungen muss das gesamte Zusammenspiel von Mensch, Technik und Organisation berücksichtigt werden. Die Veränderungen können gesundheitsförderlich gestaltet werden. Dafür muss jedoch der Mensch als zentraler Faktor berücksichtigt werden. Es gilt, die Mitwirkung aller Beteiligten zu ermöglichen und Berufsbilder zu gestalten, die aus attraktiven und sinnerfüllten Tätigkeiten bestehen, von denen alle Betroffenen profitieren können.

 

Vertiefungsprojekt 5: Daten und BGM

Die datenbasierte Früherkennung gesundheitlicher Chancen und Risiken birgt grosses Potenzial. Wir wollen herausfinden, wie das BGM dieses Potenzial gesundheitsförderlich nutzen kann, unter Berücksichtigung von Aspekten wie der Interpretation der Daten, Überwachung und Ethik sowie Datenschutz.

Herzlichen Dank

Aus den Workshops mit Expertinnen und Experten wird deutlich, dass sich das BGM weiterentwickeln muss, um den Veränderungen gerecht zu werden und wirksam zu bleiben. Der breite interdisziplinäre Einbezug von Praxis und Wissenschaft hat sich bewährt.

Wir sind dankbar, für die vielen aufschlussreichen Diskussionen und wertvollen Inputs, die die Grundlage für weitere Arbeiten bilden. Vielen Dank an die Beteiligten!

 

Gesundheitsförderung Schweiz bedankt sich insbesondere bei:

  • Rafaël Weissbrodt und Stéphanie Hannart der HES-SO für die wissenschaftliche Begleitung
  • Luca Weber von Smiling für die Konzeption und Moderation der Online-Workshops
  • Réka Farkas von Intervista für die Begleitung der Fokusgruppen

Und bei allen mitwirkenden Organisationen:

ABB, Basler Kantonalbank, Coople, CSS, Dacadoo, Datahouse, Digitec Galaxus, Ecare, Eidgenössische  Technische Hochschule Zürich, Fachhochschule Nordwestschweiz, General Electric, Gottlieb Duttweiler Institut, HDC Legal, Johnson & Johnson, Kuhn Rikon, Liip, Loyco, Matterhorn Gotthard Bahn, Migros Genossenschaftsbund, Mobile Basel, Mobiliar, Postfinance, Phoenix Mecano Komponenten AG, Schweizerische Bundesbahnen SBB, Schweizerische Gesellschaft für Organisation und Management SGO, SECO, Stadt Zürich, SUVA, Swica, Swisscom, Swissstaffing, Syna, Universität Lausanne, Universität Zürich, Viseca, Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften