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Agiles Arbeiten – Konfliktmanagement und Gesundheit

Konflikte gehören in agilen Teams zum Alltag. Sie zu bearbeiten fällt mit zunehmender Selbstorganisation in den Verantwortungsbereich der Teammitglieder. Im Faktenblatt 54 von Gesundheitsförderung Schweiz geht es darum, welche Konfliktpotenziale in agilen Teams vorhanden sind und wie sich diese auf die psychische Gesundheit auswirken. Es wird aufgezeigt, welche Voraussetzungen und Prozesse auf Teamebene sowie welche Rahmenbedingungen auf Ebene der Organisation eine konstruktive Konfliktbearbeitung fördern. Ein proaktives Konfliktmanagement fördert eine bessere Zusammenarbeit und die Entwicklung von Mensch und Organisation

Prof. Dr. Albert Vollmer
FHNW

Konfliktpotenziale in agilen Teams

Agile Teams sind eine besondere Form von Teams, da sie eine hohe Selbstorganisation aufweisen und ein hohes Mass an Kooperation und Kommunikation voraussetzen. Die Teams sind in der Regel interdisziplinär zusammengesetzt und verfügen über eine hohe Entscheidungsautonomie. Anstelle einer klassischen Führungsperson werden Führungsfunktionen über die Teammitglieder verteilt. Diese Merkmale sind im Hinblick auf Konflikte insofern bedeutsam, als im Wechsel von traditionellen zu agilen Teams Konflikte aufgrund der neuen, damit verbundenen Anforderungen entstehen.

Konfliktpotenziale zeigen sich auf unterschiedlichen Ebenen. Im Faktenblatt wird aufgezeigt, dass Konflikte vermehrt vorkommen, wenn Entscheidungen im Team gemeinsam getroffen und verbindlich umgesetzt werden müssen. Auch individuelle Verhaltensweisen, oftmals noch geprägt von traditionellen Vorstellungen, können Konfliktpotenzial bergen. Vielfach ist es auch die unklare Einbindung des agilen Teams in die Strukturen der Organisation, die an den Schnittstellen zu Reibungen führen. Die grosse Herausforderung in agilen Teams besteht darin, dass Konflikte nicht mehr an eine Führungsperson delegiert werden können, sondern in Selbstorganisation, also durch die Teammitglieder selbst, gelöst werden müssen.

Einfluss von Konflikten auf die psychische Gesundheit

Konflikte müssen bearbeitet werden, da sie nicht nur auf die Teamleistung, sondern auch auf die Gesundheit der Teammitglieder einen negativen Einfluss haben können. Dies zeigt sich beispielsweise in Form von Arbeits- und Konfliktstress, depressiver Stimmung, Burnout oder reduzierter Arbeitszufriedenheit. Insbesondere Beziehungs- und Rollenkonflikte, negative Konflikterfahrungen sowie vermeidendes Konfliktmanagement stehen in einem negativen Zusammenhang mit dem Kohärenzerleben, also der Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit der Arbeitsumgebung.

Konflikte haben jedoch nicht nur negative Auswirkungen, sondern bergen auch Potenziale, z.B. die Möglichkeit, bei unterschiedlichen Meinungen die individuelle Perspektive zu erweitern und gemeinsam neue Lösungen zu entwickeln. Konflikte bieten also auch Lern- und Innovationschancen.

Proaktives Konfliktmanagement

de Aspekte zentral:

  • gemeinsame Ziele sind vorhanden
  • die Teammitglieder bearbeiten Konflikte kooperativ, es wird offen kommuniziert
  • die eigenen und die Interessen anderer werden anerkannt und berücksichtigt
  • Aufgabenkonflikte schwappen nicht in Beziehungskonflikte über
  • Konflikte werden möglichst früh bearbeitet

Wichtig erscheint uns, dass agile Teams um die Relevanz von Konflikten wissen und in der Lage sind, sie zu erkennen und zu bearbeiten.

Voraussetzungen

Auf Teamebene sollte ein kooperatives Konfliktmanagement fester Bestandteil der Zusammenarbeit sein. Dazu gehört etwa, dass Konflikte als ein gemeinsam zu lösendes Problem angesehen werden, dass unterschiedliche Meinungen geäussert und Entscheidungen getroffen werden, in die die unterschiedlichen Perspektiven und Anliegen einfliessen. Auch eine Feedbackkultur trägt dazu bei, Konflikte zu vermeiden oder frühzeitig zu erkennen. Wenn Konflikte auftreten, sollte ein agiles Team in der Lage sein, diese zu bearbeiten, indem etwa jemand aus dem Team die Moderation übernimmt. Insofern müssen auch die entsprechenden Fähigkeiten erworben und Methoden bereitgestellt werden. Gemeinsam geteilte Ziele und die Möglichkeit, auch unangenehme Dinge anzusprechen, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen, bilden die Grundlage für einen gelingenden Umgang mit Konflikten auf Teamebene.

Auf der Ebene der Organisation sollte die Einbettung agiler Teams in die Gesamtorganisation geklärt sein, insbesondere dann, wenn diese noch nach traditioneller Weise funktioniert. Für das Konfliktmanagement sollte eine übergreifende Supportstruktur vorhanden sein, z. B. Anlaufstellen, Reflexionsgefässe und/oder Coaches. Im Rahmen von Weiterbildung sollten Trainings angeboten werden, in denen Kenntnisse und Methoden des Konfliktmanagements vermittelt werden.

Fazit

Konflikte sind ein integraler Bestandteil von agilen Teams. Die Teammitglieder stehen in der Verantwortung, Konflikte zu erkennen und selbstorganisiert zu bearbeiten. Sie sollten deshalb auch entsprechend ausgebildet werden. Darüber hinaus sind Rahmenbedingungen zu schaffen, die kooperatives Konfliktmanagement unterstützen. Dadurch können die negativen Effekte abgefedert werden und die positiven Möglichkeiten genutzt werden mit dem Ziel, neben der Leistung auch die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden zu fördern.